Mittwoch, 30. Juni 2010

Eine verpasste Chance

Sehr geehrte Damen und Herren,

dass die Linke immer etwas unangenehm für die etablierte Politik ist, das war bekannt. Das habe ich akzeptiert und auch respektiert. Ja ich habe die Haltung der Linken oft gegenüber Freunden und Bekannten verteidigt und mochte die Idee eines Rot-rot-grün-Experiments.

Die Argumente es handle sich bei der Linken um keine demokratische Partei aufgrund ihrer SED-Vergangenheit hielt ich nie für stichhaltig und sah nie einen Grund, die Zusammenarbeit oder gar sogar Verhandlungen mit Ihrer Partei auszuschlagen.

Was ich jedoch im Zuge der Bundespräsidentenwahl erleben musste, dass lässt mich diese Einstellung zu Ihrer Partei jedoch grundlegend überdenken.

Die Linke hatte hier die einmalige Chance, sich endlich von ihrer unangenehmen Vergangenheit zu verabschieden und zu zeigen, dass sie sich als Teil des demokratischen Staates Bundesrepublik Deutschland sehen. Sie hatten die Gelegenheit, einen Kandidaten zu wählen, der sich nicht nur für die Aufklärung der Stasiverbrechen, sondern sich bereits in der DDR unter großen Risiken für Freiheit einsetze.

Was die Linke jedoch tat, war nichts dergleichen. Stattdessen stellte sie eine eigene Kandidatin auf. Aus Angst? Ich denke schon. Aus Angst, die Altkommunisten könnten der Partei davonlaufen. Ihre Partei hatte nicht die Courage, die Vergangenheit der dunklen kommunistischen Diktatur hinter sich zu lassen und zu zeigen, dass sie für Demokratie einsteht. Man versteckte sich hinter billigen Ausreden, der Kandidat Gauck hätte Ansichten, die mit der Linken in keinem Fall vereinbar wären. Es geht bei der Wahl des Präsidenten jedoch nicht um die Wahl eines Berufspolitikers, sondern eines Repräsentanten des Staates. Die Linke hätte über Herrn Gauck hocherfreut sein müssen. Steht er doch für Freiheit und Demokratie und ist nicht zuletzt ein Mann aus dem Osten.

Dreimal hat Ihre Partei die Möglichkeit gehabt, Courage zu zeigen. Dreimal hat sie versagt. Damit hat die Linke für mich mit dem heutigen Tag bewiesen, dass sie unwählbar ist, da sie rückwärtsgewandt und nicht fähig zur Erneuerung und zur Lösung von alten Lasten ist.

Es ist sehr schade, denn eine Partei, die für die linke Sache und für das Recht der kleinen Leute einsteht brauchen wir in Deutschland dringend. Aber mit der Einstellung, die Ihre Partei heute und in den letzten Tagen gezeigt hat, halte ich sie nicht für eine wählbare Alternative.

Ein sehr entäuschter Bürger

Freitag, 18. Juni 2010

Den Bock zum Gärtner gemacht

Die FDP hat das Superwahljahr 2009 mit einem wahren Traumstart begonnen. Zuerst unglaubliche 16,2 Prozent bei der Hessischen Landtagswahl, danach 11,0 Prozent bei der Europawahl. Das sorgt für gute Prognosen für die Bundestagswahl im September. Die FDP könnte sich als drittstärkste Kraft im Bund etablieren und kommt in diesem Jahr vor allem mit ihrem Ergebnis in Hessen ihrem damaligen Ziel beim Projekt18 - wir erinnern uns an Jürgen W. Möllemann und die Schuhe mit der 18 im Profil - erstaunlich nahe.

Nochmal zur Erinnerung: Wir schreiben das Jahr 2009. Im Herbst des vorangegangenen Jahres platzte die Immobilienkrise in den USA. Sie riss die Finanzwelt mit in die Tiefe. Im Oktober 2008 mussten mehrere Banken Insolvenz anmelden. Manche konnten sich nur aufgrund staatlicher Hilfen geradeso über Wasser halten. Die Krise breitete sich bald auf der ganzen Welt aus, stürzte die Realwirtschaft in die roten Zahlen und verursachte damit eine weltweite Wirtschaftskrise, die bis zum heutigen Tage anhält.

Der Grund dafür war, wie mittlerweile selbst konservative Wirtschaftsexperten wie Prof. Sinn bestätigen zu große Freiheiten für die Wirtschaft und insbesondere die Banken. Die fehlende staatliche Kontrolle führte dazu, dass der Fokus nur noch auf Gewinnmaximierung lag und das wesentliche außer Acht gelassen wurde. An der Börse wurde mit Papieren gehandelt, die selbst die erfahrensten Broker nicht mehr verstanden und wie aus dem Nichts schien immer mehr Geld die Märkte zu fluten. Die Wirtschaft war sich selbst überlassen. Freie Marktwirtschaft. Vergessen das ehemalige Erhard-Attribut "Sozial".

Und wer war all die Zeit hindurch der größte Verfechter dieser Marktliberalisierung? Der Name verrät es bereits: die FDP. Sie forderte den Nachtwächterstaat, der nur noch die gesetzlichen Rahmen setzen sollte und sich sonst gefälligst aus der Wirtschaft herauszuhalten hatte. Je weniger Staat, desto besser.

Aber heute sieht das Bild plötzlich ganz anders aus. Da stehen die Bankenvorstände bei Frau Merkel Spalier und bitten auf einmal um Unterstützung. Da wird ein Finanzschirm für "leidende Banken" gespannt. Da wird die Commerzbank mit dem fast fünffachen ihres eigentlichen Wertes mit staatlichen Geldern unterstützt. Von der Hypo Real Estate gar nicht zu reden. Da muss der Staat Garantien für Opel übernehmen und sich das Gejammer und Gebettele einer Frau Scheffler anhören, die auf einmal Angst um ihre privaten Milliarden hat. Aber ist Vater Staat dann in die Bresche gesprungen, dass soll er sich bloß nicht in die internen Angelegenheiten der Unternehmen einmischen. Liberalisierung ist wieder das Zauberwort. Und der Staat hat ja sowieso keine Ahnung von Finanzen. Das mag sogar stimmen. Sonst hätte er die Wirtschaftsriesen vielleicht sich selbst überlassen. Denn ob der Steuerzahler das Geld aus seinen Anleihen für die Konzerne je wiedersieht, steht in den Sternen.

Und jetzt sitzen wir in der Tinte. Die Verschuldung in Deutschland ist so hoch, wie noch nie. Ob die Krise die Talsohle endlich erreicht hat, darüber lässt sich nur spekulieren. Die Politik wird wieder gebraucht. Wenn man in der Klemme sitzt, dann sind die da oben in Berlin und Brüssel ja auf einmal vielleicht doch zu was gut. Aber der Bürger will selbst mitbestimmen. Er geht wählen. Und was wählt er. Die Partei mit der größten "Wirtschaftskompetenz". Und wer ist das in den Augen des Wählers? Genau, die FDP. Weil, die können ja so gut mit Wirtschaft und so. Und die sind ja auch für Steuersenkung.

Im Klartext: Die Bürger laufen jetzt reihenweise zu einer Partei über, deren sämtlichen Grundsätze und Vorstellungen von einem Staatssystem mit der Wirtschaftskrise vor die Wand gefahren sind. Eine Partei, die sich über Jahrzehnte für genau das eingesetzt hat, was die Krise in Deutschland überhaupt erst möglich gemacht hat. Und zu guter letzt eine Partei, die mit Steuersenkung das wohl Unsinnigste Konzept zum Abtragen des Schuldenberges der Bundesrepublik Deutschland vorzuweisen hat.

Nach den Entwicklungen in der Finanzwelt und der nationalen und internationalen Politik in den letzten zehn Monate hätte das einzig konsequente eine Auflösung der Freien Demokratischen Partei in Deutschland sein müssen. Stattdessen scheint ihr Höhenflug erst gerade zu beginnen. Zu verstehen ist das nun wirklich nicht mehr.