Freitag, 17. Oktober 2008

Tour de Farce

Und wieder lesen wir in den Zeitungen von positiven Dopingtests bei Profiradsportlern. 

Nach dem deutschen Stefan Schumacher ist jetzt auch der Österreicher Bernhard Kohl positiv getestet worden. Unter Tränen gab er in einer Pressekonferenz mit ausgewählten Pressevertretern nun auch öffentlich zu, die verbotenen Substanzen zu sich genommen zu haben. Die Bilder gingen durch die Sender und man fragte sich: "Hab ich das nicht schonmal gesehen?"

Natürlich hat man. Und zwar schon etliche Dutzend mal in den letzten Jahren. Im Umfeld der Tour de France kam es immer wieder zu Dopingfällen und man fragt sich mittlerweile, ob Erfolge in diesem Sport überhaupt noch ohne Doping möglich sind. Laut Aussagen von Experten scheint es wirklich so zu sein. Zu schaffen sei die Strecke auch so, aber vorne mitfahren könnte man wohl kaum.

Erstaunlich jedoch immer wieder ist die Erschrockenheit und Bestürzung in den Medien, wenn es zu einem positiven Dopingtest kommt. Man hat das Gefühl alle Beteiligten versuchen vor der Wahrheit die Augen zu verschließen. Dabei kann mit relativer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass zumindest die ersten im Ziel das nicht aus eigener Kraft geschafft haben. Vorne mitfahren ohne Pharmazeutika ist so gut wie unmöglich.

Und doch versuchte der Radsport vor allem in den letzten beiden Jahren verstärkt von seinem Schmuddelimage wegzukommen. Da mussten die Sportler schriftlich verbriefen, dass sie ein sauberes Rennen fahren, die Kontrollen wurden erhöhnt und vor allem die Radställe, ganz vorn T-Mobile und Gerolsteiner, spielten sich als neue Kämpfer für einen gerechten Radsport auf.

Sie hatten ja schließlich nie etwas mit den Süden ihrer Fahrer zu tun. Systematisches Dopen vollkommen ausgeschlossen.

Fraglich ist an dieser Stelle dann aber, warum gerade der Kronzeuge im Anti-Dopingverfahren Patrik Sinkewitz, einer der Wenigen, die nach ihrem Fehlverhalten nun für eine schonungslose Aufklärung stehen, bei keinem Rennstall mehr in Vertrag genommen worden ist. Bei Nachfrage dazu nur Schweigen von den Verantwortlichen.

Welches bessere Zeichen dafür, dass die Tour den Sprung zum sauberen Sportereignis nicht geschafft hat, ist die Ankündigung des mehrmaligen Toursiegers Lance Armstrong, im nächsten Jahr wieder mitzufahren. Gerade er steht für die Generation im Radsport, in der das Dopen System bekommen. Viel zu unglaublich die Ergebnisse, die Armstrong eingefahren hat, nachdem er lange an einer Krebserkrankung laborierte. Selbst aus Armstrongs engsten Bekanntenkreisen gibt es Bestätigungen für diese Vermutungen.

Nach der Tour de France 2007 und den Nachwehen der Tour 2008 haben ARD und ZDF nun endlich die richtige Schlussfolgerung aus den Ereignissen gezogen und ziehen sich vollständig aus der Live-Berichterstattung zurück. Dieser Schritt war notwendig, wäre aber schon viel früher richtig gewesen. Ebenso, wie die Entscheidung der Veranstalter die Deutschland Tour im nächsten Jahr abzusagen.

Bleibt zu erwarten welche Meldungen von der Tour de France im kommenden Jahr die Nachrichten dominieren. Die von glorreichen Siegen oder die von unsportlichen Dopingfällen.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Kritik im luftleeren Raum

Es ist durchaus erstaunlich welches Echo die Medien Kritik von Marcel Reich-Ranicki beim Fernsehpreis hervorgerufen hat. Zu meinem Erstaunen überhaupt nicht das, was ich erwartet hatte.

Meine Meinung über den Auftritt an sich habe ich bisher schon zur Genüge kund getan. Interessant ist, zu sehen, dass sich von dieser Kritik niemand selbst angesprochen fühlt. Sowohl in der Gesellschaft, als auch in der Medienlandschaft scheint es gerade deshalb eine so positive Antwort auf die Kritik zu geben.

Dabei werden sich auf der einen Seite die Medienverantwortlichen nicht bewusst, dass der Reich-Ranicki von seiner Medienschelte niemanden (abgesehen von ein paar arte-Redakteuren) ausgenommen hat. Man applaudiert brav und schiebt die Schuld an der fehlenden Qualität auf den anderen. Niemand will wahrhaben, dass er selbst damit gemeint ist. Nicht einmal die Konsumenten. Denn was viele jetzt fordern würde den Untergang des Unterhaltungsfernsehens fordern. Dabei sind gerade in der letzten Zeit zunehmend wieder erstere und qualitativ hochwertige Themen ins Programm aufgenommen worden. Vielleicht genügt schon ein Blick in die Liste der Preisträger, die vom "Literaturpapst" ausnahmslos als niveaulos abgestempelt worden waren. Unter anderem "Contergan" (ARD/WDR) als bester Film, "Das Schweigen der Quants" (ARD/NDR) als beste Dokumentation, "Alt sein auf Probe - Neu-Rentner auf Entdeckungsreise" (ARD) als beste Reportage und "neues" (3sat/ZDF) als beste Informationssendung.

Ja, die Fernsehlandschaft hat sich verändert. Ja, es gibt viel Niveauloses. Aber das liegt auch daran, dass sich die Auswahl und das Programmangebot vervielfacht hat. Wer möchte denn Sendungen wie "Am laufenden Band" einen intellektuellen Wert zusprechen. Früher gab es einfach aus jeder Rubrik weniger.

Das Fernsehen ist außerdem ein Medium, dass für alle Menschen da ist. Nicht nur für eine intellektuelle Oberschicht, die jetzt zustimmend mit dem Kopf nickt und Herrn Reich-Ranicki voll unterstützt.

Sollte dieser - meines Erachtens - skandalöse Auftritt am vergangenen Samstag zur Folge haben, dass über neue Sendekonzepte nachgedacht wird, dann halte ich das durchaus für eine gute Entwicklung. Dennoch bleibe ich bei meiner Meinung, dass man von einem hochgelobten Literaturkritiker etwas mehr Taktgefühl und dafür etwas weniger Arroganz erwarten kann.

"Arroganz ist die Kunst, auf seine eigene Dummheit stolz zu sein." (Ted Bates)

Unfehlbarer Literaturpapst wird er genannt. Dass es bei Marcel Reich-Ranicki jedoch mit Anstand und Respekt gegenüber anders Denkenden nicht weit her ist, das hat er schon in seiner einst so erfolgreichen Fernsehsendung „Das literarische Quartett“ zur genüge unter Beweis gestellt. Schon damals entbehrten die Meinungen von Hellmuth Karasek und vor allem Sigrid Löffler aus seiner Perspektive jeglicher Diskussionsgrundlage.

Seit nunmehr sechs Jahren ist es um ihn, nach erfolglosen Soloversuchen im Fernsehen, zumindest auf dem Bildschirm ruhig geworden.

Am Samstagabend hatte er dann endlich wieder die Möglichkeit dem dummen und ungebildeten deutschen Volk mal wieder so richtig die Meinung zu sagen. Nominiert für den Ehrenpreis der Stiftung war Reich-Ranicki.

Was er da auf dieser Bühne nach stehenden Ovationen des gesamten Publikums (der ersten Riege des deutschen Fernsehens) von sich gab, stellte jede seiner bisherigen Unverschämtheiten in den Schatten. Die Stunden der Preisverleihung seien bisher unzumutbar gewesen und er sei nicht gewillt diesen Preis anzunehmen. So der Grundtenor seiner relativ ausschweifenden Rede.

Der Inhalt der Rede schien einigen Anwesenden erst nach mehreren Sätzen ersichtlich geworden zu sein. Die meisten jedoch taten offen kund, das, was der Literaturkritiker da laut schallend verkündete nicht im Kern begriffen zu haben – sie klatschten und spendeten dem Redner bei seinem Abgang erneut stehende Ovationen. Dabei war das, was dieser dort eben gesagt hatte nichts anderes, als die gesamte deutsche Fernsehlandschaft und damit alles, wofür die prominenten und nicht-prominenten Gäste dieses Abends stehen und arbeiten grundlegend zu verurteilen und zu verteufeln. Übersetzt in verständliches Deutsch sagte Reich-Ranicki dabei nichts anderes als: „Ich bin etwas besseres als ihr. Intellektuell und in allen anderen Gesichtpunkten bin ich euch weit voraus. Diesen Preis anzunehmen würde bedeuten, mich mit euch auf eine Stufe zu stellen.“ Angemessen gewesen wäre in diesem Moment den so genannten Ehrenpreisträger mit Buhrufen und Pfiffen von der Bühne zu schicken.

Nicht nur, dass er die Ungeheuerlichkeit besessen hat, das Medium, dass ihn erst zu dem machte, was er heute ist, in seinem Kern zu kritisieren, er bestand nicht einmal den Anstand sich dann wenigstens von vorn herein von dieser Preisvergabe und von der gesamten Branche fernzuhalten. Stattdessen tönte er, er habe vielleicht früher ablehnen sollen und wolle mit seiner Entscheidung niemanden verletzen. Verletzt und gekränkt müsste allerdings jeder sein, der sich am dem besagten Abend in der Halle befunden hat. Und zwar aufgrund der unsäglichen Unverschämtheit eines arroganten und egozentrischen alten Mannes, der keinen Sinn für Anstand und Respekt besitzt. Ein Mann, der seine Prominenz einzig und allein durch seiner schonungslosen Kritik von Literatur erlangt hat. Ganz zu schweigen davon, dass er dabei leider auch das ein oder andere Mal Fachkundigkeit vermissen ließ.

Herr Reich-Ranicki hat wohl in seinen sechs Jahren Fernsehabstinenz vergessen, dass er selbst Teil dieser ach so primitiven Fernsehwelt gewesen ist.

Bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen bei öffentlichen und privaten Sendern ihre Schlussfolgerungen daraus ziehen. Und zwar hoffentlich nicht zugunsten eines Marcel Reich-Ranickis, der eine elitäre intellektuelle Klientel widerspiegelt, das abfällig von oben auf die Gesellschaft schaut, sondern weiterhin zugunsten der Bürger, die im Fernsehen ein ausgeglichenes Programmangebot zu finden hoffen. Denn nur eine Mischung aus Unterhaltung, Wissenswertem und bildenden Elementen schafft eine Fernsehlandschaft, wie man sie sich wünscht.

Mein Wunsch ist dabei bornierte und selbstgefällige Gesichter wie die eines Marcel Reich-Ranickis in Zukunft nicht mehr auf der Mattscheibe zu sehen.