Unfehlbarer Literaturpapst wird er genannt. Dass es bei Marcel Reich-Ranicki jedoch mit Anstand und Respekt gegenüber anders Denkenden nicht weit her ist, das hat er schon in seiner einst so erfolgreichen Fernsehsendung „Das literarische Quartett“ zur genüge unter Beweis gestellt. Schon damals entbehrten die Meinungen von Hellmuth Karasek und vor allem Sigrid Löffler aus seiner Perspektive jeglicher Diskussionsgrundlage.
Seit nunmehr sechs Jahren ist es um ihn, nach erfolglosen Soloversuchen im Fernsehen, zumindest auf dem Bildschirm ruhig geworden.
Am Samstagabend hatte er dann endlich wieder die Möglichkeit dem dummen und ungebildeten deutschen Volk mal wieder so richtig die Meinung zu sagen. Nominiert für den Ehrenpreis der Stiftung war Reich-Ranicki.
Was er da auf dieser Bühne nach stehenden Ovationen des gesamten Publikums (der ersten Riege des deutschen Fernsehens) von sich gab, stellte jede seiner bisherigen Unverschämtheiten in den Schatten. Die Stunden der Preisverleihung seien bisher unzumutbar gewesen und er sei nicht gewillt diesen Preis anzunehmen. So der Grundtenor seiner relativ ausschweifenden Rede.
Der Inhalt der Rede schien einigen Anwesenden erst nach mehreren Sätzen ersichtlich geworden zu sein. Die meisten jedoch taten offen kund, das, was der Literaturkritiker da laut schallend verkündete nicht im Kern begriffen zu haben – sie klatschten und spendeten dem Redner bei seinem Abgang erneut stehende Ovationen. Dabei war das, was dieser dort eben gesagt hatte nichts anderes, als die gesamte deutsche Fernsehlandschaft und damit alles, wofür die prominenten und nicht-prominenten Gäste dieses Abends stehen und arbeiten grundlegend zu verurteilen und zu verteufeln. Übersetzt in verständliches Deutsch sagte Reich-Ranicki dabei nichts anderes als: „Ich bin etwas besseres als ihr. Intellektuell und in allen anderen Gesichtpunkten bin ich euch weit voraus. Diesen Preis anzunehmen würde bedeuten, mich mit euch auf eine Stufe zu stellen.“ Angemessen gewesen wäre in diesem Moment den so genannten Ehrenpreisträger mit Buhrufen und Pfiffen von der Bühne zu schicken.
Nicht nur, dass er die Ungeheuerlichkeit besessen hat, das Medium, dass ihn erst zu dem machte, was er heute ist, in seinem Kern zu kritisieren, er bestand nicht einmal den Anstand sich dann wenigstens von vorn herein von dieser Preisvergabe und von der gesamten Branche fernzuhalten. Stattdessen tönte er, er habe vielleicht früher ablehnen sollen und wolle mit seiner Entscheidung niemanden verletzen. Verletzt und gekränkt müsste allerdings jeder sein, der sich am dem besagten Abend in der Halle befunden hat. Und zwar aufgrund der unsäglichen Unverschämtheit eines arroganten und egozentrischen alten Mannes, der keinen Sinn für Anstand und Respekt besitzt. Ein Mann, der seine Prominenz einzig und allein durch seiner schonungslosen Kritik von Literatur erlangt hat. Ganz zu schweigen davon, dass er dabei leider auch das ein oder andere Mal Fachkundigkeit vermissen ließ.
Herr Reich-Ranicki hat wohl in seinen sechs Jahren Fernsehabstinenz vergessen, dass er selbst Teil dieser ach so primitiven Fernsehwelt gewesen ist.
Bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen bei öffentlichen und privaten Sendern ihre Schlussfolgerungen daraus ziehen. Und zwar hoffentlich nicht zugunsten eines Marcel Reich-Ranickis, der eine elitäre intellektuelle Klientel widerspiegelt, das abfällig von oben auf die Gesellschaft schaut, sondern weiterhin zugunsten der Bürger, die im Fernsehen ein ausgeglichenes Programmangebot zu finden hoffen. Denn nur eine Mischung aus Unterhaltung, Wissenswertem und bildenden Elementen schafft eine Fernsehlandschaft, wie man sie sich wünscht.
Mein Wunsch ist dabei bornierte und selbstgefällige Gesichter wie die eines Marcel Reich-Ranickis in Zukunft nicht mehr auf der Mattscheibe zu sehen.
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